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Freitag, 17. Oktober 2014

Wenn die Gedanken zu komplex für Twitter oder Youtube sind...


Vielleicht passt das hier nicht so gut hinein, aber manchmal hilft es einfach, die Dinge die einen beschäftigen nieder zu schreiben. Und manche Gedanken, lassen sich halt nicht in 140 Zeichen abfassen.
Wenn ich die letzten Tage auf Youtube herum gestöbert habe, sind mir immer wieder Videos untergekommen, die ernstere und tiefsinnigere Themen beinhalteten, als die Art Videos, die ich schaue um mich abzulenken und meiner eigenen Welt für ein paar Minuten zu entfliehen.


→ Eine Playlist mit besagten Videos verlinke ich euch am Ende – in der Hoffnung, dass irgendwer bis dahin liest.


Eine Videoplattform mitsamt ihrer Künstler gerät plötzlich in die Kritik. Einerseits, weil sie immer mehr Ansehen erlangt – andererseits gibt es auch hier eine Kehrseite der Medaille. Durch diese wachsende Aufmerksamkeit werden plötzlich Dinge aufgedeckt, die lange Zeit unter der Oberfläche brodelten. Stimmen werden laut, Betroffene erheben sich und viele regen zum Nachdenken an. Mein Kopf brummt und trotzdem – oder gerade deshalb – kann ich die Gedanken nicht einfach zur Seite schieben.


→ Wer jetzt nur Bahnhof versteht, dem könnte es helfen, doch einen kurzen Blick auf die Videos zu werfen. Andernfalls kann ich euch auch grob schildern, worum es geht:
Es wurden Vorwürfe – teils erwiesen – gegen Youtuber erhoben, sich an ihren Zuschauern vergangen zu haben und einige andere haben darauf öffentlich reagiert, um aufmerksam zu machen, dass sie nicht deine Freunde sind, aber genauso wenig wie Stars umschwärmt werden wollen.


Ich denke ein großes Problem unserer Gesellschaft besteht einfach darin, dass immer erst etwas passieren muss, damit gehandelt wird. Vor einigen Wochen wurde beispielsweise ein 10-jähriges Mädchen ein paar Kleinstädte von mir entfernt, von einem Mann aufgefordert in sein Auto zu steigen und plötzlich wird das Thema wieder hiesig diskutiert. Warum sind solche Aufklärungsarbeiten nicht „täglich Brot“ in unserer Gesellschaft? – Aber ich komme vom eigentlichen Thema ab.
Wir nehmen alltägliche Probleme einfach nicht mehr wahr, bis irgend ein Vorfall uns wieder aufhorchen lässt, bis irgendwer aufsteht und zu reden beginnt. Dabei könnte es so viel leichter sein.
Worin besteht das Problem, über das Internet und seine Tücken aufzuklären? Zu Alkohol- und Drogenmissbrauch wird schon seit geraumer Zeit Präventionsarbeit geleistet indem Organisationen von Schule zu Schule ziehen und versuchen, die Jugendlichen wach zu rütteln und auf Konsequenzen ihres Handelns hinzuweisen.
Warum verstehen Eltern nicht, dass sie auf ihre Kinder Acht geben müssen? Ich verstehe nicht wie man Kindern (und damit meine ich Grundschüler – unbefangene, unerfahrene und naive KINDER) den Zugang zum Internet gewährleisten kann, ihnen gar einen eigenen PC oder ein Smartphone zur Verfügung stellen kann, in dem Glauben, sich nicht weiter darum sorgen zu müssen.


Es wurde einfach zu lange schon nicht mehr thematisiert, dass das Internet kein Zufluchtsort ist, dass hier nicht alle deine Freunde sind und dich aufbauen wenn es dir schlecht geht, dass dich hier keiner in den Arm nehmen und dir sagen kann, dass alles wieder gut wird.
Aber genau das, wurde in jüngst bekannt gewordenen Ereignissen auf Youtube doch ausgenutzt. Das Internet birgt einfach eine Gefahr und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass viele Kinder und Jugendliche damit zu leichtsinnig umgehen – frei nach dem Motto: „es ist mir ja schließlich noch nichts passiert“. Und keiner fühlte sich bisher verantwortlich, dagegen vorzugehen.
Umso mutiger und vorbildlicher finde ich daher die Youtuber, die sagen: „Ich sitze irgendwie mit im Boot, warum also sollte ich meine Reichweite nicht nutzen, um meine Zuschauer zu erreichen und sie wach zu rütteln?!“ Die Menschen die weder Abgötter noch beste Freunde sind, zu denen dennoch viele Jugendliche aufsehen.

Meine Beobachtung sagt mir, dass vermehrt Mädchen dazu neigen, diesem „Fan-Hype“ zu verfallen. Deshalb sind es auch eher die männlichen Youtuber, die umschwärmt und angehimmelt werden, während bei den Mädchen und Frauen eher das Gefühl von Freundschaft überwiegt und sie idolisiert werden. Die Zuschauer eifern ihren Youtubern nach, fühlen sich ihnen verbunden. Und doch sind sie alle eigentlich nur wildfremde Menschen, denen sie blind vertrauen.
Das wird besonders deutlich bei Fantreffen und Veranstaltungen wie dem VideoDay – Zuschauer umarmen ihre liebsten Youtuber und posieren mit ihnen für Fotos, ohne die Menschen vor sich wirklich zu kennen.

Es fällt mir schwer, das in Worte zu fassen, weil ich es selbst nicht recht verstehe. Ich kann nur beschreiben, was mir dieses Jahr am VideoDay widerfahren ist, was ich erlebt habe. Ich schäme mich ehrlich gesagt, das niederzuschreiben, aber es muss gesagt werden um auszudrücken, was in den Köpfen der Menschen – nenne man sie Fans, oder auch nicht – vorgeht. Ich habe da dieses Foto mit einem Youtuber gemacht und mich nicht getraut ihn zu berühren, weil ich gezittert habe und mir dabei vorkam wie der letzte Trottel.
Ich hatte nicht gedacht jemals an den Punkt zu gelangen, aber wir suchen uns nun mal nicht aus, wen wir sympathisch finden. Und wenn selbst eine Youtuberin zugibt, bei einem ihrer größeren „Kollegen“ zu fangirlen, beweist das doch nur, dass sich wirklich keiner davon freisprechen kann. Egal wie klar man im Kopf ist, egal wie groß Vernunft und Verstand sind und egal wie viele Stimmen in deinem Kopf dir sagen, dass das hirnrissig ist – du kommst nicht dagegen an.


Jugendliche sollten nicht für Internet-Stars“ schwärmen oder sich einreden in wildfremde Menschen verliebt zu sein. Youtuber sind nicht die Boygroup-Helden des 21. Jahrhunderts, die die Bravo-Titelseiten zieren wollen. Täglich aufs Neue erklären sie, dass sie ihre Zuschauer nicht als „Fans“ sehen wollen, dass der Begriff abwertend klingt und rechtfertigen sich, nur gewöhnliche Menschen und keine Stars zu sein.
Aber wenn sie dann als genau das bezeichnet werden, so wie „Dner“ und „ungespielt“ stellvertretend für alle Youtuber am vergangenen Mittwoch im strenTV-Interview, dann drängt sich mir die Frage auf, ob dieser Kampf vergebens ist.
Einerseits hat diese Fernsehsendung bewiesen, dass hinter Youtube tatsächlich eine sehr starke Gemeinschaft steht, dass der Begriff „Community“ total zutreffend ist. Andererseits werden sie als unnahbare „Stars“ bezeichnet, die sie definitiv nicht sind.


Das Ganze ist wie ein „Geben und Nehmen“ – allerdings im negativen Sinne. Auf den Youtubern lastet ein enormer Druck, weil sie doch eben keine Stars sind und somit ihren Zuschauern immer ein offenes Ohr schenken sollten und die Zuschauer glauben ernsthaft von ihnen verstanden und angenommen zu werden. Mir ist dazu ein Beispiel von einem Mädchen (schätzungsweise nicht älter als 12) untergekommen, die sich auf Instagram bei einem Youtuber (mittlerweile 96k Abos) bedankt hat, weil er mit ihr geschrieben hat und sie sich verstanden fühlte.


Das Internet und damit auch Youtube oder andere Plattformen, soziale Netzwerke und Kommunikationsportale sind kein Zufluchtsort. Wenn es dir schlecht geht, oder du den Sinn deines Lebens aus den Augen verlierst, kann dir im Internet auch keiner helfen.

Ich spreche aus Erfahrung. Ich weiß wie sich das anfühlt, wenn das Erwachsenwerden dir den Boden unter den Füßen wegzieht. Wenn du wegen dem ersten Liebeskummer Nächte lang durch weinst. Ich weiß wie einsam man sich fühlt und mittlerweile weiß ich auch, dass es kein Ausweg ist, sich im Internet Gehör zu verschaffen. Das kann immer böse enden – nicht in meinem Fall, aber dafür genügend anderen Jugendlichen.
Schreib Tagebuch, rede mit deinen Freunden, Eltern oder anderen Vertrauenspersonen, die du persönlich kennst. Und wenn es dir peinlich ist, darüber zu reden: schreib ihnen einen Brief. Es gibt immer Menschen, mit denen du reden kannst. Teile nicht deine ganze Geschichte im Netz und mach dich dadurch verwundbar. Und bitte glaub nicht, dass du hier irgendwelchen Stars, Superhelden und sonstigen Vorbildern begegnest. Genauso wenig sind sie aber auch deine Freunde – also denk nach, was du wem anvertraust und sei dir bewusst, dass kein Mensch mehr wert ist als ein anderer.

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